Focusing: den Körper sprechen lassen

Es sind nicht immer die Kopfentscheidungen, die uns weiterbringen. Wir wachsen in unserer Persönlichkeit, wenn wir im wahrsten Sinne des Wortes auch auf unser "Bauchgefühl" hören. Das sogenannte "Focusing" kann ein Rahmen dafür sein.

Der Austro-Amerikaner Eugene Gendlin (1926 - 2017) hat als Schüler von Carl Rogers den personenzentrierten Ansatz in Psychotherapie und Beratung erweitert, indem er in seinen Therapien und im Umgang mit den Menschen entdeckt hat, dass der Körper eine wesentliche Rolle im persönlichen Wachstum spielt. Der Körper hat als "Leib" ein implizites Wissen, das - einmal offengelegt - den Menschen in seiner  Selbstverwirklichung weiterbringen kann.

Das "Focusing" speist sich daher einerseits vom personenzentrierten Ansatz Carl Rogers und andererseits von einer Achtsamkeitspraxis, die im Hier und Jetzt verankert ist. 

Klingt etwas kompliziert, aber letztlich geht es darum, darauf zu achten, was mir mein Körper zu einem Thema, das mich beschäftigt sagen will. In der Focusing-orientierten Psychotherapie und Beratung werden die Besucher*innen angeleitet, sich der eigenen körperlichen Empfindungen im gegenwärtigen Augenblick bewusst zu werden und dort zu verweilen. 

Die nun vertiefte achtsame Wahrnehmung führt zum sogenannten "Felt Sense", eine gefühlte Empfindung, deren Sinn und Bedeutung sich im weiteren Prozess erschließen soll. Hier offenbaren sich zuvor nicht zugängliche Aspekte des Themas, die dem Bewusstsein so nicht zur Verfügung gestanden sind. 

Die Weise der Beobachtung körperlicher und emotionaler Vorgänge entspricht in wesentlichen Teilen dem achtsamen Vorgehen.

Ohne hier näher auf die vielfältigen Aspekte des "Focusing" eingehen zu können, gibt es folgende Phasen im Prozess:

0. Vorbereitung auf den Prozess:

... mit dem eigenen Körper in Kontakt kommen (z.B. durch den Body-Scan oder einer ähnlichen Übung, wie ich sie im NotizBLOG vom 22.07.2022 als Audio veröffentlicht habe)

1. Freiraum schaffen:

... ist immer noch eine Vorbereitung auf das "eigentliche Focusing: ich schaffe mir äußerlich eine störungsfreie Umgebung: kein Handy, keine Störung durch plötzliche Unterbrechungen, angenehme Position. Ich schaffe mir auch innerlich einen Freiraum. Gendlin stellt dazu die Frage: "Was hindert dich jetzt gerade daran, dass es dir gemütlich ist, dass es dir gut geht?" Gedanken, Gefühle, Emotionen, die mich momentan ablenken, versuche ich freundlich aber bestimmt auf ihren Platz zu verweisen. Dazu können Übungen zur Disidentifikation helfen (dazu im nächsten NotizBLOG mehr).

2. Den Felt Sense wahrnehmen:

... hier wandert die Aufmerksamkeit zur Körpermitte, die Achtsamkeit führt zur Wahrnehmung des Körpers und seiner Resonanz, seiner Reaktion auf das Thema, das mich beschäftigt. Der "Felt Sense" ist die gefühlte Empfindung, der gefühlte Sinn.

3. Einen "Griff" finden:

... oder dem "Felt Sense" einen Ausdruck verleihen: das kann heißen, einen Be-Griff zu finden, kreativ einen Ausdruck im Malen, Gestalten oder ähnlichem zu finden, oder emotional (lachen, weinen, ...), körperlich (tanzen, bewegen, ...) oder kognitiv (sprechen, denken, ...). Wie drücke ich also meinen "Felt Sense" aus?

4. Nachspüren der Resonanz, des Ausdrucks des Felt Sense:

... oder ein "Nachjustieren": Wie in einem Zick-Zack-Kurs verfeinere ich die Symbolisierung der gefühlten Empfindung. Ein Zeichen dafür, dass die Stimmigkeit erreicht ist, ist eine gefühlte Erleichterung oder Entspannung, die eintritt.

5. Innerer Dialog mit Fragen zum gestellten Thema:

... Wie kommt nun das Thema zum Empfinden? Durch inneres Fragen wie z.B. "Was haben Thema und Gefühle gemeinsam?" - "Was brauche ich, um mich gut zu fühlen?" - Was sagen mir die Gefühle über mein Thema?" ... Es kann hier aber auch um ein geduldiges Achtsamsein gehen: achtsam warten, bis der Felt Sense eine Resonanz zum Thema bietet. Geduld und Ausdauer kann hier gefragt sein ...

6. Finden eines guten Abschlusses:

Egal, wie der Prozess nun gelaufen ist: jeder Teil sollte seine Würdigung erfahren und seinen Platz einnehmen dürfen. Auch wenn es vielleicht nur ein kleiner Schritt war, so gilt es, dankbar auf das eben Erlebte zurückzuschauen. Gendlin spricht vom "Empfangen".

Dieser Prozess wird idealerweise zu Zweit stattfinden. Und es braucht Übung und mehr als diese paar Zeilen, um das "Focusing" zu praktizieren. Dennoch kann diese Methode ein Impuls sein, um eigene Körpersignale achtsam wahrzunehmen.

Und einzelne Punkte können auch für sich stehen, so z.B. "Freiraum schaffen". Dazu aber mehr im nächsten NotizBLOG!

 

Wenn Sie mit mir in Kontakt treten wollen: info@beratungforcher.at oder +43 650 41 00 561

 

Photo by Bruno Moriggl

 

Kategorie:

Datum: 11.10.2024

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