Unlängst habe ich auf der Tiroler Palliativtagung einen Vortrag des Freiburger Philosophen und Medizinethikers Giovanni Maio gehört. Es ging um die Verletzlichkeit. Sicher, an diesem Tag war der Bezug zur Palliativmedizin und Hospizarbeit gegeben.
Die fünf Gründe, die er im Vortrag erarbeitete, warum Verletzlichkeit zum Menschsein gehört, helfen mir aber auch in anderen Bereichen meines Lebens, um Verletzlichkeit nicht als Tabuthema abzulehnen - und damit vielleicht Probleme zu verstärken. Da geht es auch um Verletzlichkeiten im Team, um Verletzlichkeiten in persönlichen Beziehungen und mehr.
Warum also soll Verletzlichkeit laut Maio zu uns Menschen gehören?

1. Körperlichkeit: Als körperliche Wesen sind wir immer anfällig, uns im wahrsten Sinne des Wortes zu verletzen: als Kind holt man sich so manche Abschürfung beim Hinfallen, äußere Verletzungen passieren schnell, innere erkennen wir vielleicht nicht rasch. Unser Körper ist der erste Grund für unsere Verletzlichkeit. Die Geburt eines Menschen beginnt mit Verletzungen: bei der gebärenden Frau wie beim Neugeborenen (der "Dammriss" und das Durchschneiden der Nabelschnur).
2. Beziehungswesen: Der Mensch ist auf Beziehungen zu anderen Menschen angewiesen. Ob wir wollen oder nicht: von Anfang an sind wir in eine Welt der Beziehungen hineingeboren. Sie helfen uns zu überleben - sie können uns aber auch einschränken und ... verletzen: wenn wir Beziehungen nicht loslassen können (oder Andere uns festhalten wollen); wenn wir Persönliches erzählen und es gegen uns verwendet wird. Konflikte sind Geschichten von Verletzungen in Beziehungen.
3. Verlust von Fähigkeiten: Im Laufe unseres Lebens merken wir einerseits, dass im Älterwerden gewisse Dinge nicht mehr so gehen, wie in jungen Jahren. Andererseits erleben wir auch, dass wir uns vielleicht in unseren Fähigkeiten oder zumindest Erwartungen überschätzt haben: wir "scheitern".
4. Unplanbarkeit: Wir können unser Leben nicht planen, auch wenn wir möchten und es uns vielleicht vormachen. Wir sind gesund, treten vor das Haus und ein Auto fährt uns nieder; Krankheiten, Trennungen, Schicksalsschläge ereilen uns unerwartet. Im beruflichen Umfeld reden wir schon lange von der VUCA-Welt, die uns darauf hinweist, dass selbst unser Arbeitsleben nicht kontrollier- und planbar ist.
5. Endlichkeit: Auch das wollen wir oft nicht wahrhaben: Alles ist endlich, auch wir sind endlich: einmal hören wir auf zu atmen, wir werden sterben. Und wer lange genug auf der Welt ist, weiß, was alles im eigenen Leben bereits endlich gewesen ist. Begrenztheit und Endlichkeit sind immer gegeben.
Die Anerkennung dieser fünf Gründe könnte die Fehlerkultur unserer Unternehmen verändern. Konflikte könnten unter der Perspektive der Verletzlichkeit vielleicht Empathie, Akzeptanz und eigene Stimmigkeit (Carl Rogers!) hervorbringen und den Verlauf eines Konfliktes ändern. Die Anerkennung der eigenen Verletzlichkeit wäre vielleicht auch ein Programm des Stressmanagements und der Burnoutprophylaxe:
Ja, ich stehe zu meiner Verletzlichkeit, sie darf sein, weil ich ein Mensch bin!
Wenn Sie mit Gerd Forcher dazu oder zu anderen Themen in Kontakt treten wollen: info@beratungforcher.at oder +43 650 41 00 561
Photo by Gerd Forcher
Kategorie: Beruf und Management, Leben, Philosophie, Stress lass nach
Datum: 18.04.2025
„Gerade in der oft sehr schwierigen und belastenden Arbeit im Alten- und Pflegeheim ist die Thematisierung und Bearbeitung von schwierigen Themen wie Sterben, Tod, Trauer, Wut, Aggression sehr wichtig und trägt zu persönlichen und beruflichen Hygiene einen wesentlichen Beitrag bei. Auch zur Bearbeitung und Vorbeugung interner Konflikte im Team ist regelmäßige Supervision ein wichtiges Instrument. Wir im Vinzenzheim Neustift haben die Supervision seit vielen Jahren als treuen Begleiter in der täglichen Arbeit und vor allem in schwierigen Situationen schätzen gelernt."
Heimleiter eines Seniorenheims zur Teamsupervision seiner MitareiterInnen
"Das Coaching war für mich der ideale Raum zur Reflexion meiner beruflichen Praxis. Ein Raum zur Bewältigung meiner Herausforderungen, zur Formulierung meiner Ziele und zur Inspiration."
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