Schweigen und Taubheit als Phänomene in Organisationen - Schweigen, Teil 2

Erinnern Sie sich an den letzten NotizBLOG (17. Juni 2024)? Dort habe ich begonnen, das Phänomen des Schweigens und Verschweigens in Organisationen anhand eines Artikels von Michael Knoll zu beschreiben. Heute finden Sie hier die Fortsetzung.

Hier die nächsten drei „Take-Away-Messages" zum destruktiven Schweigen in Organisationen, wie sie Knoll beschreibt:

4. Schweigen wird nicht immer bewusst gewählt
5. Schweigen hat vielfältige Formen
6. Will man Schweigen verstehen, muss man die Taubheit mit bedenken

4. Schweigen wird nicht immer bewusst gewählt:

Oft ist uns das Schweigen gar nicht bewusst, denn vielleicht leiten uns Beliefs (aus der Kindheit prägende Leit- und Glaubenssätze) und unsere individuelle Biografie. Wir lernen von Kindesbeinen an, uns im Leben zurechtzufinden und damit Muster zu entwickeln, die wir auch als Erwachsene noch ausleben. Denn wer von uns hat als Kind nicht mitbekommen, dass man Autoritäten nicht hinterfragt, auch wenn man selbst merkt, dass hier was falsch läuft – als Kind schweigt man. Vielleicht ist es auch ein evolutionäres Verhalten, dass rang- und statushöhere Personen und Gruppen nicht herausgefordert werden.

Diese Prägung kann aber auch aus dem frühen Berufsleben stammen, wenn sich äußern sanktioniert wird oder wenn man selbst implizite Hypothesen bildet („Wenn du kritisierst, dann zeig uns einen besseren Weg!"), die ins Schweigen führen.

5. Schweigen hat vielfältige Formen:

Schweigen bedeutet aber nicht nur „nichts sagen". Es gibt auch andere Formen des Schweigens:

- Oberflächliche Zustimmung oder Einbringen von Ideen, hinter denen man nicht steht, aber vielleicht gut ankommen.

- „Schönreden": In letzter Zeit bekomme ich immer mehr mit, wie – gerade auch Leitungen – davon reden, „wie gut es bei uns doch läuft". „Man darf doch nicht immer nur das Negative sehen."

- Zynismus und Ironie kann zwar den Druck aus einer unangenehmen Situation nehmen, führt aber oft dazu, dass das eigentliche Thema dennoch nicht zur Sprache kommt.

- Man spricht über die problematische Situation in der Firma ... aber mit Personen, die keine Entscheidungsgewalt haben (hier kann sich die Lage sogar noch verschlimmern, wenn man mit Kolleg*innen redet und plötzlich auch noch alles „hintenrum" läuft!) oder sogar außerhalb des Arbeitskontextes stehen.

- Leider änderst sich eine belastende Situation in der Organisation nicht, wenn man kündigt oder um Versetzung ansucht. Denn das Verlassen der Organisation wird gerne von den Verantwortlichen umgedeutet und alle anderen bleiben in der prekären Situation.

6. Will man Schweigen verstehen, muss man die Taubheit mit bedenken:

Denn hier kommt unter anderem auch der sechste Punkt zu tragen: die genannten Formen des Schweigens hätten ja das Potenzial, die Problematik anzusprechen – aber alles nützt nichts, solange sich die Entscheidungsträger*innen taub stellen. Man stößt im wahrsten Sinne des Wortes auf „taube Ohren". Dazu kommen noch diejenigen, die zum Schweigen drängen oder zumindest nicht zum Ansprechen ermutigen.

Wie kann ich mit Schweigen in meiner Organisation umgehen?

Zum Schluss bleibt die Frage, ob man in der Ohnmacht und Handlungsunfähigkeit bleiben muss, weil die „Mauer des Schweigens" nicht gebrochen werden kann, oder ob ich etwas tun kann. Der Autor des besagten Artikels rät vorerst, sich überhaupt der Sachlage bewusst zu werden, dass es sich um Schweigen handelt.

Bevor man eine Intervention setzt, sollte man
-die Motive für das Schweigen herausfinden und welche Funktion das Schweigen im jeweiligen Kontext erfüllt;
- herausfinden, auf welcher Ebene (Individuum, Team, Abteilung, Organisation, überorganisational) und in welche Phase sich alles gerade abspielt,

um sinnvoll und machbar zu intervenieren.

Letztlich geht es auch darum, Wege zu finden, nicht nur das Schweigen zu brechen, sondern auch darum, zum aktiven Zuhören zu bewegen.

 

Den Artikel von Michael Knoll finden Sie hier.

Wenn Sie dieses Thema gerne mit mir vertiefen wollen, dann nehmen Sie mit mir Kontakt auf: info@beratungforcher.at oder +436504100561

Photo by Hunter Leonard auf unsplash.com

Kategorie: Beruf und Management

Datum: 21.06.2024

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"Ich wollte mich für die Supervisionen bedanken; ich konnte mich in den Stunden gut öffnen und hatte stets das Gefühl, etwas aus den Stunden mitnehmen zu können."

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