Systemisch denken bei Problemen und Konflikten

Vergangene Woche habe ich sieben Denkfehler benannt, wenn es um die Lösung von Konflikten und Problemen geht. Heute kommt die systemische "Auflösung".

Freilich gibt es - systemisch-konstruktivistisch gedacht - nicht DIE Auflösung.

Aber wenn Sie versuchen, beim Finden von Lösungen die genannten Denkfehler (NotizBLOG vom 8.3.2024) zu umgehen und stattdessen systemisch an das Ganze ran zu gehen, dann kommen Sie möglicherweise einer tatsächlichen Lösung nahe.

Also: Was steht den Denkfehlern entgegen?

1. Denkfehler: "Probleme gibt es objektiv gesehen und müssen nur klar definiert werden."

--> Die Sichtweise auf ein Problem (oder OB es überhaupt ein Problem gibt!) hängt von der subjektiven Sicht der Personen ab: von deren Meinungen, Haltungen, Betroffenheit. 

Denken Sie an das Beispiel eines Autounfalls, bei dem jeder Zeuge/jede Zeugin etwas anderes gesehen haben will und der genaue Unfallhergang schwer zu rekonstruieren ist.

 

2. Denkfehler: "Jedes Problem folgt aus einer einzigen direkten Ursache."

--> Das lineare Denken von Ursache-Wirkung entspricht nicht der Komplexität von Situationen. Es wird mehrere Ursachen geben, die durch Beziehungen miteinander vernetzt sind und in Wechselwirkung zueinander stehen.

Beispiel: Sie bekommen auf Ihre Anfrage beim Chef von diesem eine E-Mail, die Sie verärgert, weil er nicht auf Ihre Frage eingeht und Sie sich nicht wertgeschätzt fühlen. Eine Kollegin, der Sie das Email zeigen, findet, dass der Chef vielleicht gerade keine Zeit hat und Ihr Gefühl der Geringschätzung aus dem letzten Meeting mit dem Chef kommt. Und dahinter liegt noch ein alter Konflikt, der bei dem Meeting aufgeflammt ist. Also: Was ist die Ursache?

 

3. Denkfehler: "Damit ich ein Problem verstehe, muss ich nur den genauen Ist-Zustand verstehen."

--> Hier wird nicht der Zeitfaktor berücksichtigt, denn es gibt eine Dynamik und Problementwicklung, die aus Wechselwirkungen, Auf und Abs etc. besteht. 

Am Abend ist der Ist-Zustand ein anderer als am Morgen: In der Nacht konnten Sie nicht schlafen, weil das Problem so unüberwindbar schien. Am Tag sprechen Sie mit einigen Kolleg*innen darüber - und plötzlich ist es kein großes Problem mehr. Erst am Nachmittag werden Sie wieder unruhig, weil nun doch noch etwas eingetreten ist, das Sie befürchtet haben.

4. Denkfehler: "Jedes Verhalten ist vorhersehbar, wenn genügend Informationen im Vorfeld vorhanden sind."

--> Da sich Verhalten nicht linear prognostizieren lassen, wird es nur möglich sein, Hypothesen und Zukunftsszenarien zu erstellen. Und die können dann tatsächlich nochmal anders sein. Denn wir kennen nicht alle Lebensgeschichten oder Motive, die in der Situation zum Zuge kommen.

Beispiel: Sie möchten einer Kollegin schon lange sagen, dass Sie Ihren Arbeitsstil hinderlich für Ihr eigenes Arbeiten finden. Sie können sich nicht konzentrieren, wenn Sie am Nachbartisch ständig laut telefoniert. Wenn Sie aber was sagen, dann wird sie - wie auch zu anderen Gelegenheiten - ausflippen. Irgendwann überwinden Sie sich und sprechen sie doch an - und - oh Wunder: sie flippt nicht aus, sondern reagiert im Gegenteil sehr verständnisvoll: "Ich habe mir manchmal schon Gedanken gemacht, ob dich meine Telefonate nicht stören. Aber da du nie etwas gesagt hast, habe ich es wieder vergessen. Suchen wir doch gemeinsam eine Lösung."

 

5. Denkfehler: "Probleme sind beherrschbar. Es kommt nur darauf an, wieviel Aufwand man betreiben will."

--> Wir haben es mit komplexen Situationen (zwischen den Personen, aber auch in jeder einzelnen Person in deren Inneren!) zu tun, die die Situation vielleicht beeinflussbar, aber nie ganz beherrschbar machen.

Beispiel: In einer Abteilung gibt es immer wieder Konflikte zwischen zwei Mitarbeitern. Als ein Mitarbeiter in eine andere Abteilung wechselt, geht dasselbe Spiel mit zwei anderen Mitarbeitern der Abteilung los. Zumindest wurde die Situation nicht beherrschbar durch den Mitarbeiterwechsel.

 

6. Denkfehler: "Jede Problemlösung kann durch einen 'Macher' in der Praxis umgesetzt werden."

--> Hier wird übersehen, dass es Kräfte und Eigenaktivitäten im System gibt, die nicht "machbar" oder beeinflussbar sind.

Beispiel: In einer Filiale wird immer wieder die Filialleitung gewechselt, weil man einige Probleme nicht los wird. Irgendwann wird man schon die "richtige" Leitung finden, die es "richtet". Man muss halt nur hart und konsequent durchgreifen - oder?

 

7. Denkfehler: "Wenn eine Lösung gefunden wurde und man sie einführt, dann ist das Problem endgültig beseitigt."

--> Das Einführen einer Lösung ist noch nicht die Lösung. Das, was als Lösung angenommen wird, muss sich erst als Lösung erweisen - oder auch nicht.

Beispiel: Eine Schulleitung wird abgelöst durch eine neue, weil man sich dadurch die Lösung, d.h. eine Autoritätsperson, die im Kollegium Ordnung schafft, erwartet. Doch es kommt anders: Es regen sich Widerstände gegen die autoritäre Führung und das "Problem" geht in die Verlängerung.

Wenn Sie mit mir in Kontakt treten und mehr wissen wollen: info@beratungforcher.at oder +43 650 41 00 561

Photos by Bruno Moriggl

 

 

Kategorie: Beruf und Management, Leben

Datum: 15.03.2024

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"Ich möchte mich herzlich für das letzte Jahr bei dir bedanken. Gerade in solchen Jahren mit vielen Umbrüchen und Veränderungen, sind deine stets professionelle, aber auch immer herzliche Art und Unterstützung immens wichtig. Auch die Wertschätzung deinerseits bildet meiner Meinung nach die Grundlage, dass unsere Teammitglieder die Supervision so zahlreich besuchen.   Auf eine weiterhin so feine Zusammenarbeit im nächsten Jahr."

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